Bund der geheimen Brüder

Kategorie: Geschichte

 

Datum:  26.09.2002
Ressort:  Feuilleton
Autor:  Alexander Kluy
 
Bund der geheimen Brüder
Eine Weimarer Ausstellung über deutsche Freimaurer
 
Was haben der preußische General Blücher, der Flieger Charles Lindbergh, der Komponist Jean Sibelius und der US-Präsident Harry Truman gemeinsam?
 
Sie waren alle Freimaurer. Für Verschwörungstheoretiker waren die Freimaurer stets ein beliebtes Thema. Durch das Prinzip der Verschwiegenheit luden die "Brüder" die Außenwelt zu Mutmaßungen geradezu ein. Dabei waren ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Freimaurer im Stadtbild vieler Städte nicht zu übersehen. Ihre Logenhäuser dienten als Postkartenmotive, ihre Rolle innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft war staatstragend.
 
Diesen Prozess führt eine Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik vor. Objekte und Dokumente, Erstausgaben seltener Bücher, Auto graf en, Gemälde, zeremonielle Gegenstände und Dekorationsnachbauten belegen die Geschichte der Logen. In London zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstanden, verstanden sich die Lodges als Nachfolger der Dombauhütten des Mittelalters. Sie übernahmen deren Ordnungsprinzip von Lehrling, Geselle und Meister und postulierten höchste Ziele: Durch festgelegte Rituale sollte eine Selbstverbesserung des Einzelnen eintreten, ein Arbeiten an sich selbst, ein Streben nach Perfektion und Erleuchtung. Symbol war der Turmbau von Babel - verbunden mit sozialen Verpflichtungen und dem Wirken für Egalität, die freilich im Lauf des 18. Jahrhunderts auf der Strecke blieb. Der Adel ließ sich den Einfluss auf diese geheime Welt nicht nehmen, nutzte die Zirkel als Machtinstrumente.
 
Auch Johann Wolfgang von Goethe sah das Treiben mit Kelle und Maurerschurz pragmatisch. Er trat 1780 der Loge Amalia bei, um sich Karrierevorteile am Weimarer Hof zu verschaffen. Was Goethe so faszinierte, waren die sich mischenden Strömungen der Freimaurerei: Esoterik und Kosmologie, Naturmystik und Kabbala, Philosophie der Antike und Rosenkreuzer-Utopien. Die Logen, das dokumentiert die Ausstellung, waren nicht nur eine neue ständische Form der Geselligkeit, sondern sie fungierten auch als Kommunikationssystem innerhalb des Alten Reiches. Ab 1813 setzte die Rezeptionspflege der Weimarer Klassik ein. Die Loge Amalia, davon hat die Schau anschauliche Beispiele parat, suchte ihren Platz mitten in der Gesellschaft, indem sie ihre ursprünglich christliche Philosophie gegen die Humanitätsideale der Klassik austauschte. Schiller allerdings war kein Freimaurer, Herder nahm aus gebührender Distanz Anteil, Wieland hingegen wurde im Alter aktives Mitglied. Im 19. Jahrhundert verflüchtigten sich die aufklärerischen Bestandteile zu Gunsten einer bürgerlich-sittlichen Grundhaltung, die im Kaiserreich zu einer staatstragend-monarchistischen wurde. Auch Kaiser Wilhelm I. und sein Sohn Friedrich III. waren Freimaurer.
 
Spärlich beleuchtet ist das Wirken der Logen nach 1918. Sie wurden von der Rechten wie der Linken angegriffen, kritisch beäugt von den Demokraten, 1933 von den Nazis verboten. In der Bundesrepublik fanden sich die Freimauer neu, aber nur in kleinen Gruppen. In der DDR duldeten weder SED noch die Sowjets eine Neugründung des Bundes.
 
Weimar, Schiller-Museum, bis 31. 12, Mi-Mo 10-18 Uhr. Der Katalog (C. Hanser Verlag) kostet 29,90 Euro.
 
 
Quelle: berlinonline.de